Woran denken Sie, wenn Sie den Begriff «Wellness» hören? An Sauna, eine Hot-
Stone-Massage, an Smoothies, Meditation oder ein Spa? All diese Dinge machen für sich genommen noch keine wirkliche Wellnesskultur aus, sondern sind vielmehr Attribute eines neuzeitlich-hippen Lebensstils, der zu einem guten Teil auch kommerziellen Ursprungs ist.
Wenn man der Herkunft des Wellnessbegriffs nachgeht, macht man erstaunliche Entdeckungen. Der Grundgedanke dafür geht nämlich schon auf das Jahr 1946 zurück. Damals definierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrer Verfassung den Begriff Gesundheit «nicht als Abwesenheit von Krankheitssymptomen, sondern Zustand des körperlichen, mentalen und sozialen
Wohlbefindens» 1. Im selben Zug postulierte sie den höchstmöglichen Standard des Wohlbefindens als Grundrecht für jeden Menschen, unabhängig seines sozialen Status, seiner Religion und Kultur, und dies hat bis heute Gültigkeit.
Dieser Gedanke wurde in den 1950er-Jahren vom amerikanischen Arzt Halbert Dunn, dem Vater der Wellnessbewegung, aufgegriffen. Er war es, der den Begriff Wellness populär machte. 2 Dunn definierte «High-Level-Wellness » als einen Leben stil, der das Potenzial eines Individuums im Rahmen seiner Lebensumstände maximiert. Damit sagte er gleichzeitig aus, dass der Mensch mitverantwortlich ist für seine Gesundheit und sein
Wohlbefinden.
Diese Gedanken hätten das Potenzial gehabt, die medizinische Welt zu revolutionieren, wenn man sie konsequent umgesetzt hätte. Doch dies ist leider bis heute nicht geschehen. Schon in den 1970er-Jahren machte dies John Travis in seinem Illness-Wellness-Kontinuum
deutlich 3 (siehe Grafik links).
Travis zeigte, dass der Fokus des Gesundheitssystems auf der Krankheit und den Symptomen
liegt. Dabei werden selten die zugrunde liegenden Ursachen angeschaut und noch seltener werden die Symptome im Kontext der Umwelt- und Lebensbedingungen und des Lebensstils angeschaut. Das vorrangige Ziel ist die Bekämpfung der Symptome, um die Patienten in die «neutrale Zone» zu bringen. Dies nannte er das Behandlungsparadigma.
Dem gegenüber stellte Travis das Wellnessparadigma, dessen Ziel es ist, die Gesundheit
und das Wohlbefinden eines Individuums über die neutrale Zone hinaus zu verbessern, egal wo der Ausgangspunkt ist. Er sagte: «Wichtiger als zu wissen, wo wir uns in diesem
Kontinuum befinden, ist zu wissen, in welche Richtung wir uns bewegen.» So kann ich mich auch in Richtung des höchstmöglichen Wohlbefindens bewegen, wenn ich limitierende Umstände durch eine Behinderung oder andere Lebensbedingungen habe. Massgeblich ist die Richtung, in die ich mich bewege.
Der Wechsel vom Behandlungs- zum Wellnessparadigma erfordert ein grundsätzliches
Umdenken, sowohl der involvierten Fachpersonen des Gesundheitswesens als auch des Individuums. Für die Mediziner bedeutet dies einen Rollenwechsel vom Experten, der dem Patienten sagt, was er zu tun hat, hin zum Berater und Coach, der einen mündigen Menschen dabei unterstützt, seine Gesundheit aufzubauen.
Für das Individuum bedeutet dies, die Verantwortung für seine Gesundheit nicht länger
zu delegieren, sondern anzunehmen, dass seine ganzheitliche Gesundheit wesentlich von seinen täglichen Entscheidungen beeinflusst wird. Wellness bedeutet also ein grundsätzliches
Umdenken, um einen anderen Lebensstil zu pflegen, und dies in allen Belangen: im körperlichen,
mentalen, emotionalen wie auch im spirituellen Bereich. Bei Wellness geht es nicht um die schnelle Lösung, sondern mehr um einen Prozess, eine Reise, die aus ganz vielen Entscheidungen besteht, die uns näher zu oder weiter weg von unserem erwünschten Zustand bringen.
Dass das nicht so einfach zu bewerkstelligen ist, liegt auf der Hand (siehe Artikel über den inneren Schweinehund, Seite 14). Es bedeutet, zuerst mal hinzuschauen und sich bewusst zu machen, wo man überhaupt steht, um dann den Lern- und Wachstumsprozess in Angriff zu nehmen. Oft ist es hilfreich, wenn man in diesem Prozess von einem Gesundheitscoach begleitet wird, der die
Arbeit der Pioniere wie Dunn, Travis oder Arloski (siehe rechts) weiterführt.
Ich glaube, die Zeit ist reif für einen grösseren Umbruch im Gesundheitswesen, um dem
Behandlungsparadigma ein Ende zu setzen und gemeinsam daran zu arbeiten, die 60 Jahre alten Ziele der WHO umzusetzen:
Stellen Sie sich einmal vor, welchen Einfluss das auf unsere Gesellschaft haben könnte. Sinkende Kosten im Gesundheitswesen bei gleichzeitigem Druck auf die Pharma- und Nahrungsmittelindustrie.
Zufriedenere Menschen, die sich gegenseitig in ihren täglichen Entscheidungen begleiten
würden. Eine Utopie? Ich glaube nicht.
Dr. Michael Arloski, ein Pionier des Gesundheits- und Wellnesscoachings, formulierte folgende zehn Erkenntnisse aus seiner über 30-jährigen Erfahrung auf diesem Gebiet:
01. Wellness ist ein ganzheitliches Konzept.
02. Selbstwertgefühl ist der entscheidende Faktor für den Wandel.
03. Sich mit Menschen zu umgeben, die verantwortungsvoll mit ihrer Gesundheit umgehen, fördert Veränderung im eigenen Lebensstil.
04. Bewusstes Leben bedeutet, sich all der Entscheidungsmöglichkeiten im
Leben bewusst zu werden und danach zu handeln.
05. Ein Gefühl der Verbundenheit zu anderen Menschen, anderen Dingen, der
Welt und etwas Grösserem erdet uns in unserem Leben.
06. Wir sind in erster Linie selbst für unsere Gesundheit verantwortlich.
07. Eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung ermutigt und bestärkt uns.
08. So wichtig Zeit mit anderen ist, wir brauchen auch Zeit für uns selbst.
09. Sie müssen nicht perfekt sein, um sich wohlzufühlen.
10. Bleiben Sie gelassen und verspielt!